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Teil 1

Familien Chronik von Nikolaus Severin Schunck

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Jetzt will ich mal sehen wie es um diese Zeit, also 1863-84 bei uns aussah. Meine Wenigkeit war aus der Höheren Holzschuhklasse in Kettenis mit „gut” entlassen. Jetzt mußte ich, weil ich der älteste Sohn war, einen Handstuhl besteigen, um so schon etwas zu verdienen. Die Handweberei wurde nunmehr immer schlechter, wir mußten uns schinden und plagen und verdienten doch nur ganz wenig. Unsere Arbeitszeit war 7 bis 12, gleich 5 Stunden und von 1 bis 10 gleich 9 Stunden, zusammen 14 Stunden abzüglich ¾ Stunde für Kaffe und Abendessen, also eine Arbeitszeit 13¼ Stunden.
In einem Schuppen hinterm Hause hatten wir eine Leimmaschine stehen. Hier kamen andere Weber die Ketten leimen. Meine Mutter mußte den Leim kochen und ich vieles Wasser zum kochen herbeibringen. Für das Leimen einer solchen Kette welches eine mühselige unangenehme Arbeit war, erhielt die Mutter durchschnittlich 60 pfg. So verdiente sie etwas mit, trotz ihrer großen Haushaltung.
Aber im Anfang des Jahres 1884, da sollte das Unglück über uns hereinbrechen. In der Woche nach Ostern erkrankte mein Vater an ein schweren Lungenentzündung welche 4 Monate dauerte und er wurde so schwer dass er wie ein Kind das Gehen wieder lernen musste. Abgesehen, dass meine Mutter mit 7 Kindern und den kranken Vater, dessen Krankheit viel Geld kostete, zur Bestreitung der Unkosten nicht genug Einkommen hatte und sie außerdem jetzt die Geschäfte in Aachen noch besorgen mußte, kam sie auch noch am 26. April 1884 ins Wochenbett. Jetzt lag die Mutter auch noch zu Bett und es mußte alles durch fremde Leute besorgt werden. Ich war 15 Jahre alt und hatte noch keine Fähigkeiten das Geschäft zu leiten. Ich weiß jedoch, dass das die schrecklichste Zeit gewesen ist, die meine Eltern verlebt haben. Die uns am 26. April geborene Schwester hieß Maria welche aber schon am 17. Mai 1885 gestorben. Dafür erhielten wir am 28. Mai, also 11 Tage später wieder ein Brüder und zwar Karl Wilhelm. Dieses Kind starb aber auch schon am 8. Juli 1885 ist also noch nicht ganz 2 Monate alt geworden. Als zehntes und letztes Kind erhielten wir noch am 16. Januar 1887 unseren Karl Hubert welcher aber heute noch lebt.
Jetzt muß ich auf ein Vorkommnis aus dem Jahre 1883 zurückkommen, welches meinem Bruder Josef passiert ist.
Seine Eltern hatten auf einen Schrank eine Uhr stehen, welche sie in Reparatur geben wollten. Der Josef wollte diese Uhr mal schlagen lassen und kletterte deshalb auf eine Stuhllehne und hielt sich am Schrank fest. Als er mit der einen Hand an die Uhr reichen will, fällt er herunter und auf einen Stift des Dezimalwaagenbalkens welcher ihm ins Ohr faßte und dieses abriß. Das Ohr wurde von Dr. Creutz angenäht und nach langer Zeit erst war es wieder heil.
Meine Wenigkeit arbeitete jetzt als ehrsamer Weber auf einem Handstuhl, obwohl ich lieber sofort etwas Rechtes gelernt hätte. Aber unsere Verhältnisse erlaubten dieses nicht, zumal ich als ältester Sohn meinen durch die Krankheit arg mitgenommenen Vater tatkräftig unterstützen mußte und auch weil mein Bruder Heinrich die Berufung zum Studieren in sich fühlte und auch gar keine Lust noch Geschick zum Arbeiten hatte.
Als Erholung nach vollbrachtem Tageswerk spielte ich als erstes Instrument Ziehharmonika, welche meine Eltern mir geschenkt hatten, da ich oft genug dafür angehalten hatte.
Herr Lehrer Schütten gründete eine Sonntagsschule. Diese besuchte ich bis sie wieder einging. Ich habe sodann noch einige Privatstunden genommen bei Herrn Lehrer Wimmers. Jetzt kam eine schlimme Zeit für mich: die Zeit der Standeswahl. Da ich vieles Interesse für Musik hatte, beschloß ich Küster und Organist zu werden und sollte mich für die Aufnahme im Aachener Gregoriushaus neben meiner Arbeit vorbilden.
Mittlerweile hatte ich schon von einem gewissen Michael Heuer aus Eupen das Clarinettenspielen erlernt (ich ging zu diesem Zwecke Sonntags morgens nach Eupen) und wurde nun im hiesigen Musikverein als Clarinettist aufgenommen. Der Verein stand damals unter der Leitung des jetzt bereits verstorbenen Herrn Alois Kroppenberg. Im Gesangverein Liederkranz sang ich im 2. Baß. Im Jahre 1888 machte ich mit diesem Verein einen Gesangwettstreit mit, welcher in Köln stattfand. Wir erhielten den 3. Preis und den 3. Ehrenpreis. Außerdem habe ich noch 3 Wettstreite mitgemacht in Brühl, Köln und Aachen, von wo der Verein jedesmal preisgekrönt nach Hause kam. Auch hat der Verein mal in Lüttich und Antwerpen ein Konzert veranstaltet Besten armer Deutscher,woselbst ich auch gesungen undbei dieser Gelegenheit die Antwerpener Ausstellung gesehen habe. Dieses waren muntere Fahrten und man hat auf diese Weise das Für und Gegen der Großstadt kennen gelernt.
Ein seltener Zufall mag es wohl sein, dass wir in Antwerpen in dem Lokale wo wir sangen, einen Kettenisser Oberkellner hatten, einen gewissen Hubert Franzen, welcher hier die jetzt Müllersche Wirtschaft hatte und schon seit langer Zeit hier fort war und niemand über seinen Verbleib etwas wußte. Von der Fahrt nach Brühl erinnere ich mich noch zweier
Begebenheiten. Unser Verein brachte dem dortigen Direktor, Herrn Allecker, welcher früher in Kettenis Pfarrer gewesen war, aus alter Anhänglichkeit ein Ständchen. Bei seiner Rede sagte er unter anderm: „Ich freue mich, meine lieben Ketteniser, euch nochmal zu sehen und Euren schönen Gesang zu bewundern, aber ich werde nicht lange mehr leben, wir werden uns nicht mehr sehen. Einige Tage nachher erhielten wir eine Todesanzeige dass Herr Allecker gestorben sei.
Auf derselben Reise besuchten unser acht aus dem Verein den in Altenbeg an der Dhün angestellten Rektor Schmitz, unser früherer Religionslehrer. Wir fuhren von Brühl bis Köln-Mühlheim und gingen von dort aus zu Fuß über Odenthal und Dhünwald nach Altenberg. Der Herr Rektor freute sich sehr und erkannte uns sofort als lauter frühere Chorknaben. Wir wurden dort herrlich bewirtet, besprachen die Begebenheiten aus der Schule, sangen auf dem hohen Turme ein Lied und amüsierten uns köstlich. Der Herr Rektor ließ, in Anbetracht, dass wir in Brühl den 2. Preis errungen hatten, von seinen Schülern Kränze aus Eichenlaub winden und legte sie uns um die Zylinder. Als wir aufbrechen wollten, war schon ein Wagen bestellt der uns bis Bergisch-Gladbach an den Bahnhof brachte.
Ich hatte nun schon singen gelernt und Notenkenntnis erlangt. Meine Eltern kauften nun von einem Frl. Giesen in Eupen ein altes aber noch gut erhaltenes Tafelklavier zum Preise von 90 M. Die Anfangsgründe des Klavierspielens erteilten mir Herr Robert Mommer und Peter Voss aus Eupen. Ich hatte nun im Klavierspielen etwas Fertigkeit erlangt und sprach jetzt von der Aufnahme ins Gregoriushaus. Aber es stellte sich heraus dass ich hier unentbehrlich war und es auch zu teuer wurde, denn die Aufnahme kostete für ein Jahr 800 M. Deshalb mußte ich diese Vorhaben einstellen. Ich übte jedoch noch neben meiner Arbeit Musik sodaß mir dieses Vorhaben doch nicht geschadet het. Jetzt wußte ich allerdings wieder nicht, was aus mir werden soll, obwohl ich der Handweberei schon längst überdrüssig war, so mußte ich doch diese weiter betreiben. Da hatte ich mal vor Elementarlehrer zu werden, welcher Plan mir jedoch von verschieden Lehrern abgeraten wurde, da ich schon zu alt geworden sei um dieses Studium zu beginnen. Ich ließ also wieder davon ab.
Um diese Zeit ging ich an einem Maria Verkündigungsfesttage meinen Freund Franz Liebertz auf dem Wege nach Libermé spazieren. Da war Winand Schmuck daran, einen Baum zu entzweigen. Er hatte ohne es zu wissen, einen Ast stehen lassen und seine Hippe schon herunter geworfen. Ich machte ihn darauf aufmerksam und wollte ihm die Hippe reichen. Da nicht aneinander kommen konnten, wollte ich die Hippe in aller Eile in einen Ast schlagen. Das haarscharfe Instrument ging mir aber nach der Seite heraus und schlug mir den Zeigefinger der linken Hand vollständig durch. Ich begab mich sofort zu Dr. Wirtz, welcher mir die Wunde zunähte und den Finger auf eine Latte verband, sodaß das Gelenk nicht mehr bewegt werden konnte. Die Wunde wurde so wieder geheilt und ist mir nur die Narbe davon geblieben.
Es waren nun mittlerweile die Schwestern Maria und Josefine etwas herangewachsen. Maria half der Mutter tatkräftig und webte auch teilweise mit. Fina tat dieses auch, jedoch nur kurze Zeit, da sie das Geschäft erlernen wollte. Sie trat zu diesem Zwecke in das Colonialwarengeschäft Peter Hebel in Köln ein, kam aber wähhrend der Lehrzeit nach Hause und zwar in krankem Zustande. Nach ihrer Genesung kam sie in das Geschäft des Herrn Heinrich Klinkenberg, Aachen, sodann noch bei Bernards. Im Jahre 1893 gründeten wir in Heerlen im Hause unseres Onkels Arnold Schunck ein Colonialwarengeschäft, welches ich mit meinen Schwestern einrichtete. Das Geschäft wurde jedoch von meinen Schwestern Maria und Fina geführt. Jetzt war es mein Entschluß, Metzgerei zu erlernen und in Heerlen mit den Schwestern zusammen zu arbeiten. Ich ging zu diesem Zwecke bei Kreusch am Garnstock in die Schlächterlehre, schlachtete dort 2 Tage in der Woche mit und arbeitete die 4 übrigen Tage bei Onkel Herné in Stockem.Hier arbeitete ich teilweise auf seinem Gute und auch in der Schreinerwerkstatt. Dies war im Winter des Jahres 1894-95. Bei Kreusch habe ich sehr trübe Stunden erlebt. Ich mußte dort die schmutzigste Arbeit verrichten und dann in einem kleinen Zimmer wo 4 freche Kinder waren , oft einen halben Tag Wurstfleisch drehen. Offen gestanden war alles dortige Personal von ganz billiger Sorte und ich konnte mich eben nicht bei ihnen schicken. So lernte ich ein Schwein schlachten, hatte aber im Grunde meines Herzens keine Zuneigung zu diesem Geschäfte. Da fügte es sich dass das Geschäft in Heerlen durch einen gegenüber errichteten Consum arg litt und auch aus andern Gründen schien es nicht angebracht, die Schwestern in Heerlen zu lassen. So zerschlug sich auch diese Aussicht auf eine Existenz wiederum. Da war ich 25 Jahre alt. Ich mußte nun notgedrungen wieder weben, sann aber immer auf eine Existenz.

Eines Tages waren mein Bruder Josef und der Geselle André Zimmermann und ich in unserem Webezimmer und planten. Da sagte ich zu ihnen, ich hätte noch die größte Lust für einige mechanischen Webstühle hinzustellen. Ich wollte in dem kleinen Schuppen einen kleinen Motor und in dem Zimmer 3 Webstühle hinstellen. Die Firma H.I. Paulus & Cie., Aachen, mit der wir jahrelang geschäftlich verkehrten, hatte uns versprochen, wenn wir uns mechanisch einrichteten würden sie uns dauernd Arbeit beschaffen. Ich ging nun zu Onkel Herné in Stockem und trug ihm meinen Plan vor. Dieser war ein guter, einsichtsvoller Mann und es war ihm auch viel an meinem Fortkommen gelegen. Nach längerem Zureden meinerseits kam er mal nach Kettenis und wir planten an Ort und Stelle die Anlage einer mechanischen Weberei.
Mein Plan, die drei Stühle ins Zimmer zu setzen und den Motor in den Schuppen gefiel dem Onkel nicht so recht. Er sagte, wenn wir was machen, so muß es auch was Rechtes sein. Ja sagte ich, das Geld dazu herholen ist bei uns die Hauptsache. Er antwortete: „Wir werden schon sehen wie wir es machen!” Wir planten jetzt ein Gebäude auf unseren Garten zu erbauen, welches 10 Stühle und einen Motor sowie eine Leimmaschine fassen sollte und der Onkel machte den Kostenanschlag.
Mittlerweile hatte ich mit dem Direktor der Firma Paulus, welcher mein Unternehmen unterstützen wollte, einen Termin anberaumt, wo wir uns in Aachen mit dem Vertreter der Firma Schoenherr treffen sollten um die Sache reiflich zu überlegen. Zu diesem Behufe fuhr ich denn mit Onkel Herné und wir trafen in Aachen im Hotel Düren die Herren Brandes und Bruno Pinagel. Wir überlegten mit diesen Herren und Herr Brandes erklärte sich bereit, dauernd für Arbeit zu sorgen, während Herr Pinagel uns 4 Stühle auf Leihvertrag übermachen wollte, wenn wir 6 bar bezahlen wollten. Nachdem wir noch den Preis van 1300 pro Stuhl vernommen hatten, verabschiedeten wir uns. Der Onkel versprach mir nun vom Anlagekapital mit zu helfen und so war die Sache vorläufig sicher gestellt. Im Frühjahr des Jahres 1895 legten wir den ersten Stein zu einem 12 m breiten und 16 m langem Gebäude. Die Mauerer Pitz aus Walhorn machten die Mauerarbeiten, Nic.Laschet den Betonfußboden, Meister Lüchem das Pappdach und der Onkel Herné die Schreinerarbeiten incl. Leitung. So ragten Geschwind die Umfassungsmauern in die Höhe. Als nun mit Mai das Gebäude fertig war; erhielten wir 10 Webstühle und eine Bäummaschine (letztere kostete 180 M.) aus der Sächsischen Webstuhlfabrik in Chemnitz. Jetzt war es meine schwere Aufgabe, die Stühle kennen zu lernen, noch schwerer die Betriebsmaschine (Antriebsmaschine), da ich weder einen (solchen) Webstuhl noch einen Motor je gesehen hatte. Aber das Bewußtsein dass, wenn die Monteure fort waren alles in meine Hände und Verantwortung war hieß mich Augen und Ohren öffnen. Ich montierte erst mit dem Monteur Vetterlein die Stühle welche mich selbiger auch gut kennen lehrte, sodaß ich ungefähr die letzten allein montieren konnte. Nun kam der 4HP Petrolmotor „Gnom” aus der Motorenfabrik W. Seck & Co in Oberwesel bei Frankfurt an, ebenso der betreffende Monteur. Letzterer montierte den Motor auf und erklärte mir denselben, jedoch sprach dieser Mann ein ganz fremdes Deutsch, sodaß ich ihn nicht gut verstehen konnte. Zudem war er unfreundlich und frech. Als dieser Monteur fort ging war ich meiner Sache nicht so sicher in Betreff Kenntnis der Maschine als bei den Webstühlen. Die Firma B.Thieron Söhne lieferte die Transmission und montierte diese auch und so war alles klipp und klar. Jetzt kam Arbeit auf den Stühlen welche Anfang Juni 1895 die ersten Schüsse taten. Herr Pfarrer Jülich kam den neuen Betrieb einsegnen. So fing ich denn in Gottes Namen ein neues Geschäft an und am Feste Petrus und Paulus erhielt ich das erste Geld, es waren 75 Mark. Da ich nun im Anfang eine schwere Aufgabe hatte und manche schlaflose Nacht, war zu begreifen.
Die Bedienung eines Webstuhles und des Motors waren jetzt meine Arbeit. Der Motor hat mir oft viel zu schaffen gemacht bis ich ihn richtig kannte, ist jedoch ohne Betriebsstörung gelaufen. Im Al1gemeinen waren wir mit der Anschaffung des Motors etwas hereingefallen, da er im Betrieb zu teuer war und auch noch viel an Reparaturen, Lampen und Vergaser kostete. Eines Tages machte ich im Motor etwas zurecht und mein Bruder Josef stand am Schwungrad. Ich sagte zu ihm: „Nur nicht drehen.” Er muß mich aber mißvestanden haben, denn er drehte am Schwungrad, sodaß mir eine Schraube tief in den Arm ging. Als Andenken habe ich noch eine Narbe am linken Arm.
So war denn die Weberei in Betrieb. Auf Veranlassung des Onkels Herné wurde ein notarieller Kontrakt des Grundstückes und die Eintragung der neuen Firma ins Handelsrgister vermerkt. Die Firma hieß Nic. Schunck & Cie. Persönlich haftender Gesellschafter wurde meine Wenigkeit, während Onkel Herné als Commanditist, d.h. stiller Teilhaber, figurierte. Meine Eltern und einzelne von meinen Geschwistern halfen resp. webten mit im Betriebe, weshalb sie auch Nutznießung davon hatten. Ich beanspruchte nur wenige Zehrgroschen für mich, weil der Betrieb als solcher sich erst mal etwas umschlagen mußte. Jeden Monat wurde das Nettoverdienst dem Onkel Herné übermacht zum Abzahlen der 4 auf Leihvertrag erhaltenen Stühle; das von uns von uns durch Weben verdiente Geld erhielt dann die Mutter zur Bestreitung der Haushaltungskosten.
Im Jahre 1896 bestellten wir noch einen Stuhl bei Schoenherr (die No.11). Das war nun alles was der Motor bewältigen konnte und ich habe mit der genauen Berechnung der Kraft viele Schwierigkeiten gehabt und würde aus Erfahrung jedem raten möglichst viel Kraft zu nehmen bei einer Neuanlage. Als wir nun so bis 1898 gearbeitetet hatten, erhielt ich eines Tages ein Schreiben von unserm Vetter Karl Kroppenberg, Bankdirektor in Eupen. Dieser bot mir an: wenn ich seinen Bruder Albert als Weber beschäftigen wollte, sodaß er nach uns der erste im Betrieb sei, so wolle er mir zur eventuellen Vergrößerung des Betriebes 3000 M. von der Bank und 2000 M. aus seiner Privatkasse leihweise überlassen gegen 5% Zinsen. Ich überlegte mit meinen Eltern und dem Onkel Herné und wir kamen zu dem Entschlusse, den Betrieb zu vergrößern und eine neue Betriebsmaschine zu beschaffen. Wir bestellten eine Dampfmaschine bei der Firma Heinrich Lanz in Mannheim zum Preise von 4600 M. und wurden einig eine Anzahlung von 2200 bei der Lieferung und den Rest in 3 Jahren zu je 9000 M. zu entrichten. Auch kaufte ich vom Webereibesitzer Heinrich Ernst in Eupen vier zirka ein Jahr gebrauchte Großenhainer Webstühle zu je 900 M., also zusammen 3600 M. Darauf bezahlten wir sofort 1000 M. und das übrig wurde auf 3 Jahre verteilt. Mit dem Kauf war ich etwas angelaufen, weil Ernst die Stühle nicht in dem Zustande gelassen, wie ich sie gekauft hatte, sondern viele geflickte Stücke anderer Stühle umgetauscht hatte. Wegen seiner Unehrlichkeit hätte ich diesen Mann verklagen können, aber dieses wollte ich nicht. Die Transmissionsverlängerung lieferte wieder die Firma B. Thieron Söhne für zirka 400 M. Weil diese Firma die Transmission etwas leicht geliefert hatte, mußten wir die Betriebsmaschine nach der Mitte des Betriebes setzen und die Großenhainer Stühle kamen nach unten. Der neue Bau nahm also die Dampfmaschine und 4 Stühle auf, er ist 8 Meter lang und 12 Meter breit. Zum Speisewasserreservoir bauten wir eine 50 kb.meter Wasser fassende Cysterne welche das Dachwasser aufnehmen soll. Außerdem machten wir noch einen Brunnen im Garten hinter der Weberei zur größeren Sicherheit bei Trockenheit. Die Montage der Lokomobile (Dampfmaschine auf Rädern) bot uns Schwierigkeiten. Wir mußten selbige einen halben meter hoch heben, denn die Gasse lag um soviel tiefer, als unsere Tür wo die Maschine herein mußte. Hierbei habe ich manchen Tropfen Schweiß vergossen. Jedoch war dieser nicht leichte Transport ohne Unglücksfall verlaufen. Nachdem ich nun von dem Monteur Hannemann kennengelernt hatte, die Lokomobile zu warten, arbeiteten wir jetzt mit Dampfkraft (Oktober 1898). Mit den Großenhainer Stühlen war die Zahl der Webstühle auf 15 gestiegen. Im März 1899 bestellten wir nun noch 3 weitere bei der Firma Schoenherr.
Hierauf nachten wir eine Anzahlung, für die ich von meiner Geliebten 800 M. erhielt. Den Rest .auf Leihvertrag auf drei Jahre. Die Riemen des ganzen Betriebes lieferte die Firma H. Leusch in Eupen.

Ich habe da soeben von meiner Geliebten gesprochen. Lassen wir jetzt den Betrieb weiter laufen und sehen wie ich zu meiner Geliebten gekommen bin und wer es eigentlich ist. Ich muß bestimmt annehmen, dass der liebe Gott mir die zugeführt hat. Im Jahre 1895 ging ich eines Sonntags mit zwei Freunden bis Eupen spazieren. In der Gospertstraße begegnete uns meine jetzt schon verstorbene Cousine Maria Herné mit noch einer Freundin.
Letztere war mir unbekannt, da ich sie zum ersten Male sah. Ich redete einige Worte mit meiner Cousine und wir gingen weiter. Aber die Freundin meiner Cousine hatte auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht und es sagte mir eine Stimme in meinem Innern, ohne das zu wollen: „Mag das nicht deine Frau werden?” Als ich nachträglich meine Cousine wieder traf, frug ich wer die Freundin wäre, welche damals bei ihr war. Sie antwortete: „Das war Greta Deneffe von der Kirchstraße in Eupen. Gefällt Dir die?” fragte sie. „Ja”, sagte ich. Zu meinem Leidwesen erfuhr ich nun, dass mein Vetter Josef Herné auf der Greta Deneffe ein Auge zugedrückt (geworfen) hatte und war er so freundlich mir zu sagen, ich bräuchte mir keine Mühe zu geben für Greta, denn da hätte er schon dran gedacht. Da Josef Herné der Sohn meines Teilhabers war, so konnte ich ihm nicht entgegentreten und mußte die Sache Vorläufig ruhen lassen.
Am 15. August 1897 feierten wir die Primiz (erste Messe eines frisch geweihten Priesters mit darauf folgendem Fest) meines Bruders Heinrich. Meine Mutter hatte nun unter vielen Andern auch Greta D. zur Primiz eingeladen. Dieser Einladung leistete sie auch Folge und es wurde mir so zum ersten Mal Gelegenheit geboten, einige Worte mit Greta zu wechseln. Am Nachmittag des Primiztages saßen wir mit noch einigen jungen Leuten in der Gartenlaube zusammen. Ich schlug vor, ein Liedchen zu singen. Im selben Augenblick stimmten Greta und ich das selbe Lied an, ohne vorher etwas verabredet zu haben. Dies war doch ein erwähnenswerter Zufall. Greta verabschiedete sich schon Nachmittags mit noch andern Damen, weil sie noch zur Primiz des Herrn Max Lenzen gehen mußte. Ich wußte jetzt, dass Greta mir nicht abgeneigt war und hörte auch inzwischen, dass sie für Josef Herné kein Interesse hatte und ich entschloß mich, sie einmal zu besuchen. Vierzehn Tage vor Kettenisser Kirmis 1897 ging ich zu ihr und lud sie zur Kirmes ein und Greta sagte zu. Am Nachmittag des Kirmessonntags ging ich sie in Eupen abholen und wir wurden unterwegs schon einig. Die Sache machte sich.
Um diese Zeit besuchte ich die Webschule in Eupen 2 Jahre lang und ich ging nach Schluß der Schule um 9uhr 2 mal in der Woche zu Greta bis 10 Uhr und denn Sonntags Nachmittags. Als nun 2½ Jahre ein schönes Verhältnis gehabt hatten, heirateten wir am 24. April 1900. Der Hochzeitstag verlief in der schönsten Weise und es waren viele Gäste aus Verwandten- und Bekanntenkreise erschienen. Wegen Mangel an Raum im Deneffe'schen Hause mußten wir Nachmittags zum Hotel Koch um die Hochzeit zu feiern. Wir bezogen als erstes Heim eine Wohnung hier in Kettenis: Aachener Straße 44 im Thissen'schen Hause.

Am ersten Tag, als ich um 7¼ Uhr zur Arbeit kam, blieb plötzlich die Maschine stehen. Als ich sah, was geschehen war, dachte ich, wenn alle Glückwünsche die einem zu Gemüte geführt wurden in diesen Tagen so eintreffen, na ich danke. Es hatte sich ein Riemen in einer Holzscheibe gefangen und zog einen Großenhainer Webstuhl 1 meter von der Erde weg. Am Stuhl waren große Gußstücke zerbrochen. Die Reparatur hat 120 M. gekostet. Dazu ist der Stuhl nie mehr was rechtes geworden. Durch dieses kleine Unglück ließen wir uns in unserem jungen Eheglück nicht stören.

Auf unserm Webereiunternehmen ruhten damals noch recht viele Schulden. Ich beschloß deshalb, um dieselbe zu entlasten in Eupen ein Geschäft zu übernehmen, welches gerade verkäuflich war. So kaufte ich am 1. April 1901 das Colonial- und Delikatessengeschäft von Herrn Louis Rouette in Eupen Bergstraße 11. Meine Schwester Josefine trat mit in das Geschäft ein. Der Kaufpreis war 4300 M., wovon ich 4000 M. am 1. April und noch 300 M. nach Vereinbarung in 3 Monaten zahlte. Louis Rouette war kein reeller Geschäftsmann und er hat mir viele Sorgen bereitet· Er selbst war sehr auf den Hund gekommen, dies bewies die Tatsache, dass am Übernahmetage eine Menge Wechsel einliefen die ihrer Bezahlung harrten. Greta und meine Schwester brachten schon bald das Geschäft wieder in die Höhe. Es wurden die Einnahmen immer besser. Ich kam jeden Tag von Eupen nach Kettenis und besorgte die Weberei, während ich abends noch für das Gaschäft in Eupen tätig war.

Am 11. Juli 1901 geschah etwas ganz Unerwartetes. Nachts um 12 Uhr brach auf dem Speicher der Wohnungen No. 51, 52 und 53 in Kettenis ein Brand aus, also zu der Zeit als ich in Eupen wohnte. Meine Mutter wurde durch das Knistern wach und als sie die Augen aufschlug, sah sie schon das Feuer durch die Decke brechen. Meine Eltern und Geschwister retteten sich mit genauer Not vor dem Tode des Verbrennens. Der jüngste Bruder Carl mußte ohne Hose, nur mit dem Hemd bekleidet, heraus laufen. Da der Speicher in einen Stück über die drei Häuser ging, woselbst von 8 Haushaltungen Brennholz, Holzwebstühle, Kammgeschirre usw. lagen, fand das Feuer reichliche Nahrung und verbreitete sich sehr geschwind. Die beiden Häuser 52 und 53 brannten ungefähr ganz ab, während von No. 51 die Umfassungsmauern stehen blieben. Durch tatkräftiges Eingreifen aller Bewohner von Kettenis wurde die Weberei gerettet. Als Ursache dieses Brandes vermute ich, dass auf dem Speicher die ziemlich große Tür vom Kamin vom Kaminkehrer offen gelassen worden ist und so ein Funken in dem durch die lang anhaltende Hitze sehr trockenen Speicher das Unheil angestiftet hat. Meine armen Eltern standen auf der Straße hülflos. Da fand sich jemand, der Sohn des Lehrers Schütten, welcher nach Eupen kam um mich zu rufen. Er hat mit dem Nachtwächter eine halbe Stunde schwer auf die Tür geklopft, sodaß alle Nachbarn wach waren. Die neben uns wohnende Frau Toussaint rief uns von hinter dem Hause, worauf ich sofort mit nach Kettenis kam, nachdem ich die Situation durch August Schütten erfahren hatte.

Was ich bis jetzt schrieb, das war im Jahre 1903 und was folgt im Jahre 1933, also 30 Jahre später. Wie mir Gelegenheit geboten wurde, Vorstehendes zu schreiben, will ich jetzt noch erwähnen. Der Harmonie-Musikverein, jetzt „Städtischer Musikverein Eupen”, hatte mich zu der Zeit als Dirigenten ausersehen. Ich versah diesen Posten 1½ Jahre lang, während ich hier in Kettenis lange Jahre mitspielte und Dirigent des Musikvereins war, Auf einer Musikprobe im Lokal Schwemmer, Eupen Neustraße, hatte ich mich etwas viel angestrengt, war erhitzt worden und mußte nun zu Fuß durch die kalte Luft nach Kettenis kommen. Am folgenden Tag fühlte ich große Schmerzen in den Gelenken der Beine und Füße und ich hatte mir einen schweren Rheumatismus zugezogen. Die Probe war Samstags und Sonntags sollte Nachmittags der Brandmeister Dechène beerdigt werden. Ich hatte um 11 Uhr Vormittags noch eine Probe anberaumt. Während der Probe setzte ich mich zum Dirigieren auf einen Tisch, um meine kranken Beine zu schonen, damit ich in der Lage sein soll, nachm. um 3 Uhr das Begräbnis als Leiter der Feuerwehrkapelle mitmachen zu können. Nach der Probe ging ich zu meiner Schwester Josefine (am Berg) zum Mittagessen und legte mich danach sofort aufs Bett. Um 2 Uhr mußte ich dem Vorstand der Kapelle sagen lassen, dass ich unter keinen Umständen das Begräbnis mitmachen könne, da ich nicht mehr stehen konnte. Am Fenster sitzend, ließ ich den Trauerzug vorbeiziehen. Um 4 Uhr brachte Bostens Wagen mich nach Kettenis, mußte dort 14 Tage mit Rheumatismus das Bett hüten, und diese Zeit nutzte ich aus, um den Anfang zur Beschreibung meines Lebenslaufes zu benutzen. Jetzt, nach 30 Jahren, habe ich etwas mehr freie Zeit und will denn weiter schreiben, da in dieser Zeit allerhand geschehen ist.

Also vom Brand der Häuser weiter. Als ich in aller Eile in Kettenis ankam, stand meine Mutter mit Maria und Carl auf der Straße und weinten. Die Häuser waren mittlerweile niedergebrannt, während die Weberei gerettet wurde. Leider waren Möbel, Kleider und Wäsche noch so versichert, wie meine Eltern heirateten, also viel zu niedrig zum Abbrennen. Es ist dies auch ein sicheres Zeichen von der Schuldlosigkeit meiner Eltern und Geschwister an diesem Brande. Ich brachte nun meine Mutter, Maria und Carl bei Lejeune vorläufig unter und fragte dann: „Wo ist denn der Vater?” Niemand hatte ihn seit zwei Stunden mehr gesehen. Ich erkundigte mich bei verschiedenen Leuten von der Feuerwehr, die mir sagten, er sei anfangs ganz außer sich gewesen, habe die Türen am Hause ausgehängt u.s.w.. Sie hätten gesehen, dass er mit Nic. Gielen und Nic. Schunck weggegangen sei. Ich konnte ihn aber vorläufig nicht finden. Es hat sich nachher herausgestellt, dass die beiden Gielen und Schunck ihm Branntwein zu trinken gaben, was zur Folge hatte, dass der Vater nicht mehr ganz zurechnungsfähig und totmüde auf eine nahe Wiese sich hingelegt und sich in der kühlen Nacht ein Blasenleiden zugezogen hat. Dieses Leiden hat ihn nicht mehr verlassen bis zu seinem Tode im März 1905. Mein Bruder Leo studierte und Josef war beim Militär zu dieser Zeit, deshalb beim Brande nicht anwesend. Wir erhielten vorerst 2 Zimmer bei Maria Heeren, Höhnestraße und nachher drei Zimmer bei Lejeune, wo meine Eltern und Geschwister wohnten. Nach schwieriger Regelung mit der Feuerversicherung bauten wir zwei Häuser wieder auf. Das Haus, wo ich heute wohne, wurde ganz abgerissen und neu aufgebaut, während das Nebenhaus nur ausgebaut worden ist. Das dritte Haus an der Gasse wurde vorläufig nicht aufgebaut. Die Mauerreste wurden zu einer Remise hergerichtet.Hier hatten wir uns ein Zimmer hergerichtet, in dem längere Zeit die hiesige Kapelle ihre Proben abhielt (Die Musikkammer).

Unser Ehebund sollte Kinderreich werden. Am 10.1.1901 erblickte unser erstes Kind das Licht der Welt. Es war ein Sühnchen, das uns durch sein zu frühes Kommen nach nur 8-monatlicher Tragzeit zwar etwas überraschte, da es aber ein gesundes, nettes Kerlchen war, mit Freuden aufgenommen wurde. Bei der Taufe erhielt es den Namen Josef August Nicolaus. Das zweite Kind, August Ludwig, wurde geboren am 23.3.1902. Das dritte Kind kam am 7.5.1903. Es war eine Tochter, Henriette Maria Luise. Am 15.4.1904 kam eine Maria Paula, die jedoch am 5.1.1905 gestorben ist. Am 19.2.1905 wurde ein Sohn, Rudolf Josef, geboren. Dann, am 28.5.1906, ein Sohn Wilhelm Maria Josef. Dieser Sohn ist am 10.10.1915 als 9-jähriger Knabe infolge Gehirnhaut entzündung gestorben. Am Tage, da Wilhelm, genannt Willy, geboren wurde, legte man den Grundstein für eine Vergrößerung des Webereigebäudes. Es wurden 14 à 12 m. Raum angebaut, worin noch 12 Webstühle hingestellt wurden. Die 12 Webstühle kaufte ich in Aachen bei einer Firma M.Meyer. Ich habe manchen Schweißtropfen vergossen, ehe ich diese verbauten Stühle ordnungsgemäß in betrieb hatte. So hatte ich eine schöne Weberei mit 30 Stühlen. Ich arbeitete für die Firmen Paulus & Cie., J. & I. Meyer. Weniger für Erasmus, Königsberger & Anderen.
Am 13.11.1907 wurde uns der Hermann Johann,
am 15.12.1908 die Maria Josefine,
am 7.3.1910 die Mathilde Hubertine,
am 23.11.1912 der Aloys Lambert
und am 7.1.1914 der Ludwig Leo
als Schuncks geboren. Leo starb am 13.5.1916. Nachdem also 3 Kinder früh sterben mußten, sind uns noch 5 Söhne und 3 Töchter geblieben. Als Kuriosum sei bemerkt, dass wir Geschwister Schunck auch 5 Brüder und 3 Schwestern und meine Vorfahren die gleiche Anzahl 5 Söhne und 3 Töchter hatten. Durch den überreichen Kindersegen veranlaßt, war es doch etwas des Guten zu viel die beiden Geschäfte in Eupen und Kettenis weiter zu führen. So übertrug ich das eupener Geschäft Bergstraße 11 meiner Schwester Josefine und wir zogen nach Kettenis ins elterliche Haus 1. Etage. Unten wohnten meine Eltern mit Josef und Carl.
Im August des Jahres 1906
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[Plan Kettenis] #27 -->
sagen, ich konnte sie aber nicht verstehen. Es stellte sich heraus, dass sie über Nacht einen Schlag erlitten hatte und zwar auf das Sprachorgan. Es war ein ganz sonderbarer Zustand bei der Mutter eingetreten. Sie hatte keine Willenskraft mehr zum Sprechen. Wenn man ihr z.B. etwas vorsagte, dann konnte sie das Wort nachsagen, wogegen sie allein nichts sagen konnte. Sie ist so gewesen bis zu ihrem Tode. Wir haben oft raten müssen, um sie verstehen zu können. Meine Geschwister sahen nicht gerne die große Kinderzahl und wir haben manche Bemerkung über uns ergehen lassen müssen. So beschlossen sie denn auch, das Gebäude an der Gasse zu einem Wohnhaus umbauen zu lassen für die Mutter, weil sie glaubten, es wäre mit den Kindern zu unruhig im Hause. Sie bauten das Haus ohne mein Zutuen. Mein Bruder Heinrich Schunck gab 3000 M. her zum Bauen.
Mittlerweile hat mein Bruder Josef in Mechernich bei Holzheim das Schlachten erlernt und machte hier eine Metzgerei auf. Der Verkaufsraum war zuerst hier im Haus und danach hierneben in fertiggestellten Hause. Das Schlachthaus war im jetzigen Lager von August. Nach kurzem Zusammensein mit Josef im Nebenhause wollte die Mutter bestimmt (=unbedingt) wieder zu uns. Mit Josef konnte sie nicht so gut auskommen. Sie wußte, dass Greta alles für sie tat und die Mutter ist auch bei uns geblieben bis zu ihrem Tode im August 1911.
Die Weberei ging mittlerweile abwechselnd gut und schlecht, wie das immer mit einer Lohnweberei ist. Aber am 11.1.1911 geschah hier ein Vorfall, der zum Verhängnis für mich wurde. Am genannten Tag war ich nach Aachen bei der Fa. Aug. Ferber wegen Stopfstücken. Während ich dort war, kam der Direktor von Paulus/Aachen um sich Arbeiten anzusehen über die ich geklagt hatte, da sie nicht gut gingen auf dem Webstuhl. Es waren Ketten aus einfachem Kammgarn. De Weber konnten nicht an Lohn kommen. Direktor Brings begab sich, ohne sich, wie sonst üblich, am Haus anzumelden, zur Weberei und sprach dort über die Arbeit mit dem lange bei mir beschäftigten Andreas Hellebrandt (die beiden kannten sich schon lange Jahre).
Während Herr Brings immer darauf bestand, die Arbeiten gingen anderweitig gut, es wäre immer nur die Fa. Schunck, die klagte, blieb Hellebrandt bei seiner Ansicht, dass die Weber auf diesen Arbeiten auf keinen Lohn kommen könnten. Als Brings sich eine Zeitlang mit Hellebrandt herumgestritten hatte, begab er sich in den unteren Webereiraum, wo Frau Otten diese Arbeit auf dem Stuhl hatte. Hellebrandt ging kurz darauf auch in den unteren Raum, um weiter mit Brings zu sprechen. Als Brings ihn kommen sieht, überfällt er ihn, er habe hier nichts verloren u.s.w. Kurz, sie gerieten auf Hauen und Schlagen aneinander. In seiner Aufregung ist Brings dann hier ins Haus gekommen und hat gefragt, ob ich hier wäre. Man hat ihm gesagt, ich wäre nach Aachen. Darauf sagte er, ich soll in den ersten Tagen nach Aachen ins Geschäft bei Paulus kommen und ging heraus.
Als ich gegen Abend aus Aachen zurückkam, vernahm ich in der Weberei, was geschehen war. Hellebrandt war nicht mehr da, er hat nicht mehr weiter gewebt.
Der Weber Viktor Gielen erklärte mir den Fall und sagte, Brings wäre schon aufgeregt gewesen, wie er hereinkam.
In der Weberei Neumann in Eupen liefen auch dieselben Arbeiten und ich ging noch am selben tag dorthin um zu hören, was dort über dieselben gesagt würde. Herr Neumann sagte, die Arbeiten gingen auch hier nicht, er wolle diese nicht mehr, u.s.w. Am 2. Tag nach dem Besuche des Brings hier fuhr ich nach Aachen. Bevor ich schreibe, was ich dort erlebte muß ich berichten was Brings an dem Tag des Hierseins bei seiner Firma Paulus angerichtet hat.
Er ist dort angekommen mit Schaum am Munde und hat gesagt, er wäre in Lebensgefahr gewesen hier, er habe direkt gemerkt, dass die Belegschaft von mir gegen ihn aufgehetzt war, er würde nie mehr meine Weberei betreten u.s.w. Dann, ich wäre gar nicht nach Aachen gewesen, ich habe vielmehr hinter der Gerdine ihn ausgelacht u.s.w.
Als ich am 13 Januar in Aachen kam, begab ich mich zur Weberei Schweizer Friedrichstraße, die auch für Paulus webten. Ich fragte dort den Meister nach den betreffenden Arbeiten aus einfachem Kammgarn. Er sagte, er dürfe sich nicht an den Stühlen zeigen, um das schreckliche Geklage der Weber nicht zu hören, also dort gingen die Arbeiten auch nicht. Der Meister wollte mich mit in die Weberei nehmen, um mich zu überzeugen. Darauf sagte ich noch, ich habe in ihrer Weberei nichts zu tuen, Ihr Wort genügt mir und ging in dem Bewußtsein, bei Paulus beweisen zu können, dass nicht nur ich klagte.
Als ich bei Schweizer das Tor verließ und mich rechts nach Paulus hin wandte, kommt aus der anderen Richtung Direktor Brings und sieht nmich da heraus kommen. Ich hatte ihn aber nicht gesehen. Er gehr da bei Schweizer ohne was zu fragen sofort ans Telefon, ruft seine Firma Paulus an und sagt den Herren, er habe mich hier bei Schweizer überrascht, ich hätte auch dort die ganze Belegschaft aufgehetzt u.s.w.
Ich wußte selbstverständlich von all den Niederträchtlichkeiten des Brings nichts, aber man kann sich die Verfassung der drei Herren von Paulus vorstellen, als ich dort ankam. Es wurde mir kein Wort geglaubt, ich konnte sprechen was ich wollte, alles fiel auf steinigtem Boden. Man sagte mir, ich mßse die die 10 auf den Stühlen befindlichen Ketten abschneiden und zurückschicken. Die in Aachen von mir noch befindlichen fertigen Ketten bekäme ich nicht mehr.
So verlor ich völlig schuldlos meinen besten Kunden, mit dem mein Vater und ich bis dahin 49 Jahre geschäftlich verkehrt hatten.
Nachdem ich der Firma Paulus von Fa. Aug. Ferber Aachen eine Bescheinigung besorgte, dass ich um die betreffende Zeit in Aachen war, und durch einen Brief bat, mich die Ketten wenigstens abweben zu lassen, gawährten sie das. Dann war die Verbindung verloren.
Mein Vetter Carl bezog Tuch von Paulus. Ich sprach mit ihm über den Fall. Ich wollte die Leute verklagen, denn man kann, schuldlos wie ich war, so etwas doch nicht über sich ergehen lassen. Er riet mir davon ab, zufällig auch hereinschneien.
Gesagt, getan. Er sagte mir Bescheid und ich war da und konnte dem Herrn dort in Ruhe den Fall erzählen wie er wirklich gelaufen. Ich hatte soviel erreicht, dass ich in absehbarer Zeit wieder etwas Arbeit erhalten soll mit der Bedingung, es dürfe kein Wort mehr darüber gesprochen werden. Nach einem Jahr erhielt ich wieder einige Stühle von Paulus besetzt. Ich habe nie mehr mit gutem Herzen dort verkehrt.
Dann kam 1914 der Krieg und ich brauchte Paulus nicht mehr, da ich eigene Heeresaufträge erhielt. Ich habe aber vernommen, dass der Brings, dass der Brings nachher, trotz seines langjährigen Dortseins, herausgeflogen ist bei Paulus. Als Säufer und wer weiß, als was noch mehr, ist er früh gestorben. Als ich in Aachen in der Zeitung seine Todesanzeige sah, habe ich ihm alles vergeben. Heute ist sogar die Firma Paulus & Cie eingegangen und meine Firma besteht vorläufig noch.

In der Weberei, die damals mit der Lokomobile betrieben wurde, sind so allerhand Unglücksfälle geschehen. Die Datums sind schwer nachzuweisen. Einmal war ich an einem Webstuhl an einem Schußwächter am arbeiten Ich bückte mich und meine Leinenjacke fing sich in einem Splitter an der Arretierstange.
So zog ich unwissentlich den Stuhl an und der linke Arm wurde mir zwischen Lade und Brustbaum schwarz und blau gequetscht. Es heilte aber wieder bald.
Während des Betriebes war einmal der Regulatorriemen an der Lokomobile gebrochen und so ging sie durch und kam auf eine derart hohe Tourenzahl, dass der Kessel wie eine Wiege hin und her ging und drohte, aus dem Fundamente heraus gerissen zu werden. Ich hörte in meinem Büro ein Getöse und sah alle Leute aus dem Fenster springen, lief zur Lokomobile, sprang mit voller Todesverachtung heran und schaltete unter Aufwendung meiner letzten Kraft die Dampfzufuhr aus. Der Heizer Thieron hatte dies vergessen, er hatte den Kopf verloren, bremste mit einem kleinen Holz auf dem Schwungrad, was absolut nichts nutzte.
Ein Heizer Pontzen hatte den Deckel des Vorwärmebassins nicht richtig aufgelegt und fiel mit einem Bein in das kochendheiße Wasser. Der arme Mann hatte die Haut vom Bein herunter hängen. Ich brachte ihn mit Hülfe von anderen Arbeitern ins Haus und kühlte andauernd in einer Bütte Wasser. So konnte er den Schmerz einigermaßen aushalten. Der Arzt wurde sofort gerufen um ihm die nötige Hülfe zu leisten. Die vollständige Heilung hat lange Zeit gedauert.
Ich könnte noch verschiedene Fälle erzählen, die wohl nicht sehr interessant sein könnten.

Ich will jetzt niederschreiben, was aus meinen Geschwistern geworden ist. Mein Bruder Heinrich war zuerst nach seiner Priesterweihe als Rektor der höheren Schule in Mettmann bei Elberfeld, dann kam er nach Bergheim/Erft, wurde dann Pfarrer in Neunkirchen, Köln-Stammheim N??heim, dann in Ruhe im Kloster Merten, wo er im Februar dieses Jahres (1932) im Alter von 62 Jahren gestorben ist.
Meine Schwester Maria heiratete einen Lehrer Josef Consten aus Heerlen und wohnt auch dort mit ihrem Mann und drei Kindern. Der Mann ist 1935 gestorben.
Josefine heiratete einem Beamten Jean Libotte aus Eupen, der in Eupen am Gericht und dann in Aachen ebenfalls am Landgericht als Aktner beschäftigt ist. Josefine hatte das Geschäft in Eupen, ist nachher nach Aachen, Boxgraben 4, verzogen, woselbst sie auch ein Geschäft hatte. Seit dem vorigen Jahre hat sie das Geschäft aufgegeben und wohnt jetzt in ihrem Hause Lothringerstr. 100.
Mein Bruder Josef heiratete eine Tinchen Kahlen aus Nensen (Neusen?) Bez. Aachen und zog nach Alsdorf, wo er eine Metzgerei begann. Er kaufte nachher ein Grundstück in Alsdorf und baute ein Haus mit Metzgerei, worin er heute noch wohnt und arbeitet.
Unser Leo studierte für Oberlehrer, war dieses auch bis zu seiner Pensionierung in Horrem bei Köln. Er ist verheiratet mit einer Lizi (Sigi?) Winnekes, Tochter vom Schulrat Winnekes, Trier. Er wohnt heute in Köln Lindenthal. Sie haben einen Sohn.
Meine Schwester Luise war etwa 10 Jahre als Haushälterin bei meinem Bruder Heinrich, heiratete einen Oberlehrer, Dr. Aloys Mertens und übernahm von Heinrich das Pensionat/Anwesen in Berghheim, wo sie mit ihrem Mann, ohne Kinder, noch heute wohnt.
Der jüngste meiner Brüder, Carl, heiratete eine Nettchen Dreschmann. Er hat eine Kohlen- und Brikettgroßhandlung in Köln und wohnt mit Frau und einem Kind in Köln-Klettenberg.

Hieran anschließend will ich niederschreiben, was bis heute aus meinen Kindern geworden ist.
Der älteste Sohn, der Josef, hat die höhere Schule in Bergheim und Düren bis ??? besucht, ist dann ins Tuchfabrikationsfach übergegangen, besuchte dann de Tageskurse der aachener Webeschule, leitete dann eine von mir in Aachen Kaiserallee (ist das nicht die jetzige Oppenhofallee?) gegründete Tuchverkaufsfiliale, bis diese durch die schreckliche Krisis in meinem Geschäft eingehen mußte. Josef kam dann als Buchhalter bei einer Firma „Spiegelglaswerke Germania”, Porz am Rhein, heiratete dann eine Schwester der Frau von meinem Bruder Carl, die jüngste Tochter von Dreschmanns, wohnt mit ihr in Köln-Klettenberg, Siebengebirgsalle 59, und ist jetzt mit meinem Sohn Carl beteiligt an einem Kohlen- und Brikettgroßhandel in Köln. Diese Ehe ist bis jetzt kinderlos. Sonst geht es ihnen gut.
Mein zweiter Sohn August besuchte auch die höhere Schule in Bergheim, dann die landwirtschaftliche Schule in Bergheim, da er die landwirtschaft lernen wollte. Er war dann als Landwirts-Eleve (Lehrling) bei Rottscheid in Kreuzen bei Düren und dann in Belgien bei Halleur in Beirset bei Lüttich. Da um diese Zeit die Landwirtschaft eine schwere Krisis durchmachte und schwer eine Existenz möglich war, kamen wir durch einen Freund von August aus der Eifel, Henry Bastin, zu dem Entschluß, eine Bürstenwaren- & Materialwaren-Engros-Handlung zu beginnen und die Kreise Eupen und Malmedy - Sankt Vith zu bereisen. Vorläufig machte August die Reisen zu Fuß und mit dem Fahrrad. Dies war jedoch für die Eifel unmöglich und so kauften wir ein Auto „Citroen”, womit er reisen und auch seine Waren liefern konnte.
Durch einen glücklichen Zufall erhielt August den alleinigen Ein- und Verkauf der Seifenartikel der Firma Mäurer & Wirtz Stolberg für die Kreise Eupen und Malmedy - Sankt Vith. Den Verkauf für die Eifel übertrug er seinem Freund H.Bastin und er behielt den Kreis Eupen. August heiratete am ??? die Tochter Anna von Heinrich Xhonneux, Walhorner Kreuz, und bezog das Nebenhaus an der Gasse. Im früheren Schlachthaus ist jetzt sein Warenlager. Am heutigen Tage kann August schon 3 Töchter sein Eigen nennen. Wir, Greta und ich, freuen uns, wenn die beiden ältesten Kinder, die Philomene und die Gretelein uns besuchen. Wenn zufällig die Tür zum Hof zu ist, dann ruft Gretelein auf dem Hof: „Opa, uhu!”, und ich weiß, wer da ist. Wir alten Leute haben an August und Anna sehr angenehme und liebe Nachbarn, das Verhältnis beruht nämlich auf Gegenseitigkeit.
Das 3. Kind, die Henriette, besuchte die höhere Töchterschule auf dem Heidberg. Es muß der Henriette lobend nachgesagt werden, dass sie als älteste Tochter von frühester Jugend an für ihre lungenkrank gewordene Mutter bestens gesorgt und sie vertreten hat. Sie heiratete am ??? den ältesten Sohn der Eheleute Leonh. Neumann und Helene geb. Kaiser aus Eupen mit Namen Josef, kurz genannt „Sepp”. Sepp ist Beamter des Wohlfahrtsamtes der Stadt Eupen und bezieht ein auskömmliches Gehalt. Im vorigen Jahre ist er noch Kirchenrendant der St. Nicolaus Pfarre in Eupen geworden. So geht es ihnen recht gut. Sie haben heute eine Tochter und einen Sohn, Marliese und Walter. Sie wohnen in Eupen, Heggenwiese Neubau.
Rudolf, das 4. Kind, besuchte nach der Elementarschule die höhere Schule in Bergheim, dann in Eupen. Er ging dann in die Schlosserlehre bei Gebr. Consair (Cousain?) Eupen, arbeitete als Geselle bei Graf, dann beim Eschweiler Bergwwerks Verein in Mariadorf bei Aachen. Von dort aus besuchte er die Abendkurse der Maschinenbauschule. Dann absolvierte er dieselbe Schule in 2½-jährigem Tageskurse und hat sich dadurch den Rang eines Ingenieur geworden. Leider hat Rudolf durch die schreckliche Krise noch keine Anstellung als Ingenieur finden können. Seit Februar dieses Jahres hat er mit seiner Schwester Maria in Eupen ein Geschäft in Regenbekleidung, Strümpfen und Handschuhen eröffnet. Nebenher hat und sucht er Vertretung um sich schon einigermaßen durchzuschlagen. Rudolf verkehrt mit einer Mariechen Hain aus Herbesthal.
Unser Hermann ist der ausgesprochene Webereifachmann und war von Jugend auf die Stütze und die rechte Hand des Vaters im Webereibetriebe. Er besuchte die Abendschule der Eupener Webeschule, dann die kaufmännischen Abendkurse beim Lehrer Lehnen und jetzt noch einen solchen Abendkurs im Kath. Kaufmännischen Verein in Eupen im Hotel Bredohl. Hermann ist immer mein fleißiger Mitarbeiter gewesen und hat sich die praktischen Kenntnisse seines Vaters in Weberei schon gut angeeignet. Auch besorgt er die Bestellung des schönen und großen Gartens und hält unser ganzes Anwesen mit Vorliebe in Ordnung. Es soll damit aber nicht gesagt sein, dass die andern Söhne hierfür kein Interesse hätten. Seit Anfang des Jahres verkehrt Hermann mit einem Fräulein Tinni Dupont aus Eupen und es scheint, dass er die richtige Lebensgefährtin in ihr gefunden hat. (Später eingefügt: Der Schein hat betrogen. Es war sie nicht)
Maria, das 8. Kind, hat die höhere Töchterschule auf dem Heidberg in Eupen besucht, dann war sie eine Zeitlang in Jupille bei Lüttich und in Montzen im Pensionat „Pannesheide” in Pension. Sie erlernte recht gut „Klavierspielen”. Dann war Maria bald ein Jahr bei bekannten Leuten in einem Hotel in Löwen zur Erlernung der französischen und vlämischen Umgangssprache. Dann war sie mit hier im Haushalt tätig und, wie gesagt, seit Februar dieses Jahres führt sie mit Rudolf das Geschäft in Eupen Bergstraße 38.
Unsere Mathilde, die ist im Bilde. Denn sie besuchte auch nach der Elementarschule die höhere Töchterschule auf dem Heidberg in Eupen, dann war sie noch ein Jahr in Pension im Kloster in Astenet und zur Erlernung der französischen und vlämischen Sprache als Haustochter bei einer Familie Professor Putzeys in Löwen, Belgien.
Beide Töchter Mathilde und Maria sind recht musikalisch veranlagt. Mathilde hat einmal etwas Violinunterrricht genossen, sie hatte jedoch nicht die rechte Freude und Ausdauer an diesem Sport. Heute ist sie die große Stütze der Hausfrau und hat sich eine lobenswerte Kochkunst angeeignet. Wenn sie einmal eines Tages einen Geliebten heiraten sollte (und das Sprichwort sagt: die Liebe geht durch den Magen), dann wird es ein Grund sein, glücklich zu werden.
Der jüngste der lebenden Kinder ist der Aloys. Nach der Elementarschule hier wollten wir ihn in Bergheim studieren lassen. Dies wurde uns aber von den Belgiern in der unruhigen Zeit nach dem Kriege verboten. Es durfte niemand ein Kind in Deutschland auf die Schule schicken. Aloys besuchte dann das Collège Patronné in Eupen und entschloss sich in der Webereibranche tätig zu sein. Er besuchte die Webeschule in Eupen, die Fortbildungsschule in Eupen mit bestem Erfolg. Augenblicklich ist Aloys Soldat im Lüttich, wo er acht Monate dienen muß. Er ist bei der Artillerie, hat sich schon einen leitenden Posten bei den Telefonisten erworben und wer weiß, ob nicht noch ein „hohes Tier” aus ihm wird. Sein Existenz ist noch eine Frage der Zeit, ich habe die Überzeugung, dass Aloys sich durchschlagen wird.
Ich will darauf verzichten, über Greta, meiner Frau, viel zu schreiben. Die Nachkommen, die meine Ausführungen lesen, wissen, was Greta als Frau und Mutter uns gewesen ist. Leider ist sie seit ca. 20 Jahren lungenkrank; das ist Geschick. Wir hoffen jedoch alle, dass Greta uns noch viele Jahre erhalten bleibt zum Segen meiner Familie.

Jetzt will ich die nennenswerten Ereignisse, deren ich mich noch erinnere, schildern.
Wilhelm Jansen fuhr 30 Jahre für meine Weberei nach Aachen hin und her. Er war sehr zuverlässig in seiner Art. Im Jahre 1908 hörte er auf, zu fahren und verkaufte sein Fuhrwerk. Jetzt mußte ich einen neuen Spediteur suchen. Nic. Thissen, der Sohn vom Bäcker Nic. Thissen, übernahm die Frachten. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass er den Posten nicht zur Zufriedenheit ausführte. Wir hatten über vieles zu klagen. So beschloß ich im Jahre 1909, ein eigenes Fuhrwerk anzuschaffen. Ich ließ mir von Lennertz in Gemünd einen für mein Geschäft geeigneten Wagen machen (Die gemünder Wagen waren beliebt). Er kostete 330 M. Das Pferdegeschirr machte Prinz-Eynatten für 180 M. Das erste Pferd kaufte ich bei Lennertz Wilh. in Hauset für 875 M. Es stellte sich bei diesem Pferd jedoch ein gesetzlicher Fehler heraus. Es war Windkopper und ich mußte es dem Lennertz zurückgeben. Einen Schlagkarran kaufte ich bei Heinr. Xhonneux Libermé für 140 M., von demselben kaufte ich auch das neue Pferd, gut und fehlerlos für 975,- M.
Als dem N.Thissen bekannt wurde, dass ich ein eigenes Fuhrwerk beschaffte, war er ganz außer sich und hat alles Mögliche angestellt, um mich zu schädigen. Es konnte alles an meinem Entschluß nichts ändern.

Im August des Jahres 1914 wurde die Mobilisierung ausgerufen. Es begann der Weltkrieg. Glücklicherweise war ich im März 1869 geboren, wenn ich im Juni desselben Jahres das Licht der Welt erblickt hätte, so wäre ich noch Soldat geworden. Jetzt war ich aber frei, da zu alt. Meine ältesten Söhne waren 14 und 13 Jahre alt, deshalb zu jung. Das war einmal etwas Glück.
Am 4. Aug. 1914 mußte mein damaliger Kutscher Hubert Mertens von hier nach Aachen fahren. Da ich selbst kein Pferd mehr besaß, lieh ich mir für den Tag das Pferd meines Vetters Leo Herné in Stockem. Ich ging dasselbe abends vorher nach hier holen, da wir morgens früh abfahren mußten. An dem Tage kamen eine große Menge Leute so gegen 5-6 Uhr morgens die Straße von Eupen her. Es waren ausgewiesene Deutsche, die Belgien sofort verlassen mußten. Sie saßen vor Josef Liebertz' Haus auf und neben ihren Koffern. So nach 6 Uhr kam mein Weber Albert Kroppenberg mit einem dieser Leute zu mir und sie fragten, ob ich ihnen die Koffer nicht mit nach Aachen nehmen könnte, da die Kleinbahn nicht in Betrieb war. Ich sagte, wenn ich den Leuten helfen kann, warum nicht? Ich hätte das aber sicher abgelehnt, wenn ich gewußt hätte, wie es mir erging.
Wir spannten also das Pferd an, und ich ging mit dem Fuhrwerk bis ins Dorf, wo die Leute alle zusammen waren. Sie brachten alle freudig ihre Koffer, etwa 30 Stück, und luden sie auf meinen Wagen. Es fragten dann noch einige dickleibige Damen, die ansolut nicht mehr weiter gehen konnten, ob sie sich auch auf den Wagen setzen dürften. Ich ließ soviel aufsteigen, wie das Pferd ziehen konnte. Sodann rief ich alle Leuite, die Koffer auf den Wagen geladen hatten, zu mir her und sagte ihnen: „Die Koffer werden an der Wirtschaft Fröhling, Aachen Krugenofen, abgeladen. Jeder hat selbst zu sorgen, dass er seinen Koffer erhält, denn ich lehne jede Verantwortung hiermit ab.”
So fuhr denn der Wagen nach Aachen. In Aachen hatte man bereits von dem ungewöhnlichen Transport gehört, denn an der Wirtschaft Fröhling erwartete ein Schutzmann, von Bories mit Namen, die Leute und erklärte ihnen: „Hier wird nichts abgeladen.”
Der Wagen mit den Koffern und auch alle Leute haben sich zum Polizeipräsidium am Boxgraben zu begeben, da nachgesehen werden muß, ob die Papiere in Ordnung sind.
Als dort die Leute freigelassen wurden, gegen 11½ Uhr, fragten die Leute, ob ihnen der Wagen nicht die Koffer bis zum Bahnhof bringen könnte. Mein Hub. Mertens tat dies und reichte dort flott, um von der Sache abzukommen, die Koffer den Leuten, ohne sich allerdings zu überzeugen, dass jede Person ihren Koffer erhielt. Das Verhängnis wollte es anders. Als der Wagen durch Eynatten fuhr, da fuhr ein Kleinbahnwagen in Richtung Aachen, nachdem 3 Tage keine Kleinbahn mehr verkehrt hatte.
Ein Diplomingenieur Hermann, aus Berlin stammend, war todmüde, nahm sich die Kleinbahn und stieg in Aachen im Hotel Münchener Hof ab. Dort sagte er dem Hausknecht, es kommt ein brauner Wagen von Eupen her, der wird an der Wirtschaft Fröhling Krugenofen halten. Es sind zwei Koffer drauf, die so und so aussehen. Sie nehmen diese Koffer für mich in Empfang und bringen sie hierher. Hermann selbst legte sich ins Bett und überließ die Sache dem Hausknecht. Dieser war auch bei Fröhling, als aber der Schutzmann sagte, hier wird nichts abgeladen, da ist der Hausknecht wieder nach Hause gegangen und überließ die Koffer ihrem Schicksal. Diese sind nun am Bahnhof in fremde Hände gelangt.
So gegen Abend ist Hermann von Schlafe erwacht und hat den Hausknecht nach den Koffern gefragt. Er hörte, wie die Sache gelaufen und dachte, mein Kutscher hätte die selben wieder mit nach hier gebracht. Er kam anderntags nach hier (ich war nach Aachen) und fragte die Mutter, ob der Kutscher die Koffer zurückgebracht habe. Er vernahm: nein.
Hermann sagte darauf: Dann muss ich ihren Man für den Schaden verantwortlich machen. Ich hatte mein ganzes Vermögen, Zeichnungn etc., alles darin.
Die Mutter sagte, dann müssen Sie morgen kommen, wenn mein Mann hier ist.
Hermann kam denn auch am nächsten Tage und eröffnete mir, dass er mich verklagen wollte, wenn ich mich nicht in Güte mit ihm einigen wollte. Ich sagte, „Ich habe mich über nichts zu einigen, Sie wissen, dass ich vorher jede Verantwortung unter Zeugen abgelehnt habe. Sie aber, da Sie wußten, dass Sie Ihr Vermögen in den Koffern hatten, Sie sind ganz unverantwortlich mit denselben umgegangen.”
Es tät alles nichts zur Sache, wer etwas aufladet, der ist auch dafür verantwortlich und er würde mich auf Schadenesatz verklagen.
„Tuen Sie, was Sie nicht lassen können”, sagte ich zu ihm. Darauf hat H. in Eupen am Gericht das Armenrecht beantragt. Ich wurde zum Gericht gerufen und nachdem ich die Sache erklärt hatte, sagte man, das Gericht würde dem Hermann das Armenrecht verweigern., da er keine Aussicht auf Erfolg hätte. Hermann ist dann nach Aachen ans Landgericht gegangen. Das Gericht gewährte ihm das Armenrecht. Ich wurde verklagt und mußte mir einen Rechtsanwalt nehmen. Es kam vor am Landgericht. Hermann wurde mit seiner Klage abgewiesen. Weil er aber ohne jeden Besitz war, fielen die sämtlichen Kosten mir zu Last. Ich mußte 120 RM zahlen weil ich andern geholfen hatte, das war bitter.

Der Weltkrieg hatte nunmehr begonnen. Es war wunderbar anzusehen, wie die deutschen Truppen mit ihren Pferden in spindelneuen Geschirren hier durch marschierten. Die hiesigen Einwohner besorgten ganze Bütten Kaffee für die Soldaten, aus denen sie durchgehend schöpften und tranken.
Mit großem Mut und in der Hoffnung, Weihnachten wieder zu Hause zu sein, zogen die Soldaten in den Krieg. Sie ahnten nicht, was ihnen bevorstand.
Meine Söhne Josef und August waren bei Beginn des Krieges 13. bzw. 12 Jahre alt, folglich zu jung, um eingezogen zu werden. Und ich selbst hatte das Glück, im März des Jahres 1869 geboren zu sein. Wäre ich im Juni desselben Jahres geboren, so wäre ich noch militärpflichtig gewesen. In der ersten Zeit 1914 stockte die Arbeit im Betriebe ganz und gar. Nach einiger Zeit hörte ich, dass duie aachener Fabrikanten schon Kriegslieferungen erhielten. Ich fuhr nach Aachen und erhielt von Königsberger, J. & I. Meyer und Grüneberg & Co. einige Stühle in Lohn beschäftigt.
Herr Gans von Grüneberg hatte sich den Plan zurechtgelegt, dass er meine 27 Stühle auf meinen Namen anmeldete, die Sache finanzierte und dann das Verdienst einsteckte. Mir bezahlte er einen guten Lohnweberlohn. Als ich sah, was an den Heesesaufträgen verdient war (denn die Ein- und Verkäufe gingen auf meinem Namen), da [be]sorgte ich mir selbst Betriebskapital und machte die Sache allein. Ich habe da viel Geld verdient und ich hätte bei Schluß des Krieges mir ein schönes Gut kaufen sollen und nicht mehr arbeiten. Aber wer konnte alles voraus sehen.
Im Jahre 1917 stockten die Heeresaufträge und man ging dazu über, die größern Betriebe von Staats wegen zu beschäftigen und die kleinen Fabriken wurden stillgelegt, wurden aber monatlich entschädigt. Die beschäftigten Werke mußten von dem Verdienst soviel abgeben, dass die stillgelegten existieren konnten. Ich erhielt monatlich eine Summe, dass ich reichlich leben konnte und brauchte nicht zu arbeiten. Finanziell war ich während des Krieges besser gestellt wie je zuvor. An Lebensmitteln fehlte es uns, wie allen Landbewohnern. Man sorgte eben so gut wie möglich. Es wurde mir als Kriegsdienst die Versorgung und Kontrolle der Gemeinde Kettenis betr. Abgabe von Milch und Butter übertragen. Ich mußte wöchentlich eine Liste über die abgegebene Milch und Butter aufstellen und ab und zu die landwirtschaftlichen Betriebe besuchen.
Da die Mutter bereits kränklich war und immer kleine Kinder zu ernähren waren mußte ich besonders für genügend Milch sorgen. Diesem Zwecke dienend hatte ich von Leo Weling eine Kuh gekauft (d.h. dem Namen nach), und da von einer Kuh die Milch nicht brauchte abgeliefert zu werden (so lautete das Gesetz), so fehlte es uns wenigstens nicht an Milch.
Es gelang auch schon mal, etwas Korn oder Weizen zu kaufen, das in der Kaffeemühle gemahlen und im Haushalt mit verwandt werden konnte. Als Ersatzt für Kaffee wurden sog. Hahnepinke (die Frucht von Weißdorn) geröstet, kleingestoßen und als Kaffee verwandt. Bei der ärmeren Bevölkerung in den Städten war der Nahrungsmangel garadezu furchtbar. Es wurde schon Leuten wie uns, die über Geld verfügten, schwer genug, ihre Familien zu versorgen. Bei meinem Bruder in Alsdorf war ein Soldat in Quartier, der aus dem Ahrtal stammte. Ich sprach mit ihm über die Verhältnisse. Er sagte, dass bei ihm die Bäume voller Backpflaumen hingen und es wäre niemand da, der sie abmachte. Ich wurde einig mit ihm, dass ich welche bekäme, wenn ich sie dort abmachen und holen wollte. Zu diesem Zwecke bin ich mit meinem Sohne August gefahren, mit einer großen schwarzrn Kofferkiste ausgerüstet, und haben uns das ganz abgelegene Nestchen im Ahrtal gesucht. Unglücklicherweise war die Frau nicht zu Hause und die Kinder wußten nicht, wo sie war und wann sie kam.
Nach einigem Überlegen beschloß ich dann mit August mit Pflücken der Pflaumen zu beginnen. Als wir beinahe unser Quantum zusammen hatten kam die Frau und schimpfte vorerst. Als ich ihr dann aber sagte, wir seien von ihrem Mann geschickt und wir würden ihr die Pflaumen auch gut bezahlen, beruhigte sich die Frau. Wir regulierten und zogen mit unserer schweren Kiste ab. Wir mußten mindestens eine Stunde weit zu fFuß mit unserer Last durch ganz schlechte Wege und Gassen bis zur nächsten Bahnstation. Die mitgenommene Kiste erwies sich für sie zu tragen sehr ungeeignet. Die Eisengriffe schnitten in die Hände. Die Arme fielen uns bald ab vor Müdigkeit. Mit Aufbietung unserer genzen Kraft kamen wir an der Bahn an, gaben die Kiste als Reisegut auf und fuhren heimwärts.
Man muß sich dieses Unternehmen vorstellen. Es geschah nur, um für den Winter etwas zu haben. Keine Mühe und keine Kosten wurden gespart. Trotz alledem war während dem Krieg Schmalhans Küchenmeister. In Gefahr sind wir nicht gewesen, wenn wir auch den Kanonendonner an der Westfront sehr gut hier hören konnten.
In dieser Zeit waren nicht nur die Lebensmittel rar, sondern auch alle andern, für den Haushalt benötigten Artikel, besonders Leder. So kam es denn, dass ein Dieb eines Nachts in den untern Webereiraum einstieg und mir 6 lange Stuhlriemen mitnahm. Einige Tage nachher hatte ich beim Schreiner Wilh. de Lamboy zu tuen. Er fragte mich: „Hast du nichts von dem Dieb gehört, weißt du nicht, wer es ist?” Ich sagte: „Wo kann ich wissen wer es sein soll?” Darauf de Lamboy: „Das ist kein anderer als der Klever aus Eupen gewesen. Kein anderer!” bekräftigte er. Ich dachte darüber nach und und glaubte, dass es gut möglich sein konnte, denn Klever hatte früher eine Zeitlang hier gearbeitet und ich hatte ihn als mißtrauischen Menschen kennen gelernt. Außerdem war er Schuster von Beruf. Ich ging nun zum Polizeikommissar Mann in Eupen und fragte den, nachdem ich ihm die Sache klargelegt hatte, ob er nicht mal eine Haussuchuncg bei Kl. ausführen könnte. Er sagte, auf die bloße Mutmaßung hin könnte er das nicht gut machen, er würde aber überlegen. Nach kurzer Zeit telefonierte er mir: „Heute Nachmittag ist bei Klever Haussuchung gegen 3 Uhr.” Um dieselbe Zeit war ich an der Bohrmaschine am bohren. Da kommt unser Dienstmädchen und fragt, es wäre jemand oben der möchte Carbid kaufen.
Ich sagte: „Ich habe keine Zeit, mich damit zu befassen. Wer ist denn oben, der danach fragt?”
Sie sagte: „Der Klever aus Eupen.”
Es war doch sonderbar: zur selben Zeit, da ich bei ihm Haussuchung abhalten lasse, kommt er auf Besuch zu mir. War es nur ein Zufall, oder war es Raffinesse von ihm? Bei der Haussuchung war von mir nichts gefunden worden.
Als ich einige Zeit nach diesem Vorfall in Eupen durch die Gospertstraße kam, ruft uns der Polizist Breuer an und sagte: „Da sehen Sie, dass der Kl. darin tut [verwickelt ist]. Ich habe heute wieder eine Haussuchung abgehalten und eine Menge Riemenabfälle bei ihm gefunden.”
Er, Breuer, hatte diese in einem Taschentuch gepackt und zeigte sie mir. Ich konnte aber nichts als mein Eigentum herausfinden. Es liegt aber trotzdem nahe, dass Kl. der Dieb gewesen ist.


 

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